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Dienstag, 27. Dezember 2016

Hartgekochte Eier und der Kartoffelsalat von gestern



»Eine komische Überschrift!«, werden Sie jetzt sagen und sich fragen, was das soll.
Ich will es ihnen erklären.

Überall, ob beim Metzger, im Supermarkt, auf Facebook oder beim Zeitunglesen wurden wie jedes Jahr voluminöse und bombastische Weihnachtsbraten vorgeschlagen.
Ente, Gans, Truthahn! Hauptsache viel und Hauptsache protzig.

Alleine beim Lesen stellte sich ein Würgereiz ein. »Das kann es doch nicht sein!«, sagte ich ganz leise zu mir und meine Frau dachte das Gleiche, das sah ich ihr an.

»Muß das sein?«, fragte ich sie.
»Nein, muss nicht sein!«, bekam ich zur Antwort.

An Heiligabend gab es Schnitzel mit Kartoffelsalat. Das ist schon Tradition. Am 1. Weihnachtsfeiertag dann den Kartoffelsalatrest mit hartgekochten Eiern und am 2. Festtag Zwiebelomelett mit Brot.

Frühstück und Abendbrot fielen so wie immer aus. Brot, Butter Marmelade am Morgen und Brot Wurst- bzw. Streichwurst und Käse am Abend.

Ich vermute der eine oder andere brabbelt schon was von Askese. Falsch mein Lieber, das ist keine Askese, sondern Vernunft und die unbandige Freiheit auch an Weihnachten das essen zu können, was man will.

Leckerl muss man vor den Festtagen essen. Danach schmecken sie nicht mehr.

Dienstag, 20. Dezember 2016

Die wundersame Welt einer Wäscheklammer

 Sie hatten bessere Zeiten erlebt. Bei Wind und Wetter saßen sie jahraus jahrein auf der Wäscheleine und hielten zuverlässig Bettlaken, Unterhosen und Damenblusen fest.
Fest verankert waren sie in unserer Gesellschaft.

Schon einmal mussten sie einen gewaltigen Umbruch mitmachen. Seinerzeit als immer mehr von ihnen nicht mehr aus Holz, sondern aus Kunststoff hergestellt wurden. Sie überstanden diese schwere Zeit.

Was nun auf sie zukam glich einer Eruption. Was Amazon und Zalando für den Einzelhandel ist, ist der Wäschetrockner für unsere Wäscheklammern. Sie werden erbarmungslos an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Dieser Verdrängungsprozess ist mit nichts mehr aufzuhalten..
Eine Wäscheklammer muss sich Nischen suchen, um zu überleben.

Eine von ihnen war ihrer Zeit weit voraus und das eher zufällig. Als junges Ding, schlank und rank aus fast weißem Birkenholz lag sie dösend in einem Leinensäckchen mit vielen ihrer Kolleginnen. Dann kam der Moment, als sie das erste mal auf die Wäscheleine gesetzt wurde. Sie musste mit zwei Kolleginnen zusammen eine Herrenunterhose festhalten. Es war ihr erster Einsatz und ihr einziger auf einer Wäscheleine.

Dieses Märchen fing mit einem wunderschönen Frühsommermorgen an. Marianne, als Dienstmagd für die Wäsche zuständig, nahm ein Päckchen Wäscheklammern aus der Vorratskammer und schüttete sie alle in ein Leinensäckchen. Dann nahm sie den aus Weiden geflochtenen Korb, voll mit frischgewaschener Wäsche, und lief damit in den Garten. So ein Anwesen, es lag am Stadtrand auf einem Hügel, konnten sich nur reiche Leute leisten.
Wenig später flatterte die Wäsche im Wind und würde bald trocken sein.

Gerade hatte Leander, der einzige Sohn des Hauses, eine heftige Auseinandersetzung mit seinem Vater. Dieser wollte, dass er Jura studiert um später in die Kanzlei einzusteigen um sie irgendwann mal von ihm zu übernehmen.

Leander hatte überhaupt keinen Bock darauf. Sein Leben gehörte der Musik. Seine Mutter wusste von alldem seit Jahren, nur sein sturer Vater eben nicht. Der verbrachte die meiste Zeit in seiner Kanzlei, verdiente immer mehr Geld, wurde zu einer wichtigen und angesehenen Person in der Stadt. Leander wollte mit der Welt seines Vaters, den Aktendeckeln und Gerichtsterminen nichts zu tun haben. Seine Welt war die Musik.

Natürlich durfte er Klavier- und auch Geigenunterricht nehmen. Das gehörte sich für einen Spross aus gutem Hause. Nur, der Spross übertrieb es mit seiner Liebe zur Musik. Da war kein Platz mehr in seinem Herzen für ein Jurastudium. Und exakt dies sagte er an diesem Frühsommermorgen seinem Vater.

Der Bruch war endgültig. Leander verließ das Haus mit einem Koffer und seiner Geige samt Geigenkasten.

Mit Tränen in den Augen verabschiedete er sich von Marianne. Sie war immer gut zu ihm. Mit ihr tauschte er seinen ersten Kuss, mit ihr konnte er Dinge bereden, die er mit sonst niemandem bereden konnte. Ihr widmete er seine allererste Komposition.

Dann nahm er, es mag Zufall gewesen sein, die birkenholzweiße Wäscheklammer von der Unterhose, steckte sie in seine Jackentasche und ging seines Weges. Marianne schaute ihm lange nach. Irgendetwas war heute Morgen passiert, dachte sie für sich.

»Das war ein kurzer Einsatz auf der Leine!«, sagte sich die Wäscheklammer. Sie hatte schon so ein kribbeliges Gefühl, dass es ganz anders kommen könnte, dass ihre Bestimmung nicht auf einer Wäscheleine enden würde.

Lange Rede, kurzer Sinn. Leander war einer der Besten im Konservatorium. Mutters monatliche Zuwendungen, der Vater wusste nichts davon, ermöglichte ihm ein zufriedenes Leben.

Mittlerweile saß die Wäscheklammer auf Leanders Notenständer und hielt verantwortungsvoll die Notenblätter fest. Überall war sie dabei. Im Konservatorium, bei den ersten Orchesterproben, bei den Konzertabenden. Die Spielstätten wurden größer und Leander avancierte zum 1. Geiger. All dies durfte die unscheinbare Wäscheklammer miterleben. Mächtig stolz war sie darauf. Ihre birkenweiße Farbe veränderte sich von all den Einsätzen zu einem stumpfen hellbraun.

Sie reiste mit Leander um die Welt. Die berühmtesten Konzertsäle sah sie von innen.
Sie wurde für Leander zum Talisman. Fand er sie nicht sogleich zwischen all den Notenblättern, wurde er fahrig. Sie spürte das mit ihrem weichen Birkenholz, wenn er sie liebevoll auch auf die schwierigsten Partituren setze. War sie da, brillierte sein Spiel und sie war immer da.

Seine zarten Hände, die mittlerweile einer Stradivari so wundervolle Töne entlocken konnten, streichelten sie.
Was für ein Leben. Sie war ihm beim Konzert am nächsten. Sie kannte all seine Mimik, besonders wenn schwierigste Passagen zu meistern waren.

Nur noch selten dachte die Wäscheklammer an die Herrenunterhose, die sie für wenige Minuten mit zwei Ihrer Kolleginnen auf der Leine festhalten musste.

Ihr Leben war zusammen mit Leander der Konzertsaal.

Montag, 12. Dezember 2016

Der Christbaumständer

Das ganze Jahr über räumte ich ihn von der Garage in den Keller und zurück, von einer Ecke in die andere. Jetzt, kurz vor Weihnachten, fand ich ihn nicht mehr.
Noch gut konnte ich mich daran erinnern, wo er mir kurz vor den Sommerferien in der Garage im Weg stand. Ich wäre beinahe darüber gefallen. Also verfrachtete ich ihn in eine andere Ecke oder in den Keller? Nun ist er unauffindbar.

Bei einem winzigen Teil kann ich das ja verstehen. Das kann irgendwie nach hinten rutschen oder zwischen Ladegerät und Hochdruckreiniger fallen. Aber ein Christbaumständer ist kein winziges Teil und meiner gleich gar nicht. Zwischen Ladegerät und Hochdruckreiniger würde er nie und nimmer passen.

Er ist weg! Erst suchte ich eher verhalten, aber je näher Weihnachten rückte, desto intensiver war mein Suchen. Ergebnislos!

»Weißt Du, wo unser Christbaumständer abgeblieben ist?«, fragte ich so mal nebenbei meine Frau.
»Deine Sache!«, war ihre knappe Antwort.

Geht es Ihnen auch so? Man kann sich so richtig in die Suche nach einem Christbaumständer hineinsteigern.

Im Keller durchsuchte ich zwei Schränke, ein Regal und all den Krimskrams unter dem Tisch. Nichts! Ich schaute sogar in der Tiefkühltruhe nach.
In der Garage das Gleiche. Nichts! Der war weg!

In Panik war ich nicht gerade verfallen, so wichtig war ein Christbaumständer auch nicht. Aber er war kurz vor den Sommerferien noch da! Ich transportierte ihn mit meinen eigenen Händen ... ja, - wohin?

Vom vielen Suchen kannte ich mittlerweile alle Marmeladengläser im Keller auswendig. Die Erdbeermarmelade mit Aperol schmeckte mir am besten, da war nur noch ein Glas da.

Weihnachten rückte näher. Der Christbaumständer war immer noch nicht aufgetaucht und das letzte Glas Erdbeermarmelade mit Aperol angebrochen.

Ich fragte, obwohl es mir unangenehm war, nochmal meine Frau. Diesmal kam eine Gegenfrage: »Wie sieht der denn aus?«

Ah, schon besser, ich schöpfte Hoffnung. Ich beschrieb den Christbaumständer in allen Einzelheiten. Es sei ein runder, grüner nach außen hin abgeflachter Topf aus Eisenblech mit einer halbautomatischen Haltevorrichtung in der Mitte. Dort käme der zurechtgeschnittene Stamm des Christbaumes hinein und danach das Zugseil mit einem Hebel angespannt. Der Topf würde sodann mit Wasser befüllt, damit der Baum nicht so früh nadeln würde.

Es entstand eine Pause. Meine Frau überlegte, was ich als sehr positiv wertete.
»Hast Du schon auf dem Balkon nachgeschaut?«, fragte sie mich.

Ich rannte auf den Balkon mit der tiefen Überzeugung, dass er da sicher nicht zu finden sei.

»Rück doch mal das Vogelhäuschen zur Seite!«
Ich rückte!
»Hast Du Ihn gefunden?«
Die will mich veräppeln.

Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das Vogelhäuschen!
Das stand mit seinem Stempen im Christbaumständer. Dieser war statt Wasser mit Steinen gefüllt, damit die Sache stabiler wurde. Damals fand ich das eine geniale Lösung.

Damit war das nächste Problem da. Wenn ich den Christbaumständer seiner eigentlichen Bestimmung zuführte, musste ich was passendes für das Vogelhäuschen finden.

Da war guter Rat teuer.
Na ja, wirklich teuer war der neue Christbaumständer nicht, allerdings haben wir jetzt zwei davon. Ich denke mal, ein zweites Vogelhäuschen werden wir nicht anschaffen.