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Montag, 11. Juni 2018

Von den schlechten Eigenschaften eines Gutmenschen

Im Rahmen eines Schreibprojektes sollte ich eine Kurzgeschichte verfassen. Die Jury nannte sie nicht »Kurzgeschichte« sondern »short story«, was exakte dasselbe bedeutet, in ihren Augen aber professioneller klingt.
Genau deshalb ging ich davon aus, dass sich in selbiger Jury studierte Germanisten zu Hauff herumtrieben.
Ich finde Anglizismen gelegentlich hilfreich, aber man muss es nicht übertreiben und gleich gar nicht, wenn man sich Germanist schimpft.

Soweit war nichts einzuwenden, ich schrieb über das Jahr viele Kurzgeschichten, darunter auch die eine oder andere Auftragsarbeit.

Allerdings wurde ich bei der Thematik stutzig.
»Die schlechten Eigenschaften eines Gutmenschen.«

Darüber hatte ich mir noch nie Gedanken gemacht. Das Wort »Gutmensch« war ja seit Beginn der Flüchtlingsproblematik in aller Munde. Mal wurde es einfach so dahergesagt, mal mit einer gewissen Ehrfurcht ausgesprochen. Allerdings bekam das Wort, je länger das Flüchtlingsproblem anhielt, einen negativen Touch. Heute wird es immer öfter als Schimpfwort missbraucht.

Ich machte es wie immer. Erst mal sortierte ich meine Gedanken zu dem Thema und formulierte ins Blaue.
Nur, sie wollten nicht so richtig in Schwung kommen.
Ich hatte schon meine Schwierigkeiten mir einen reinen Gutmenschen vorzustellen. Aus meinem engeren und weiteren Bekanntenkreis konnte ich nach sorgfältiger Überlegung keinen einzigen lupenreinen Gutmenschen herauspicken.

Nicht nur im Bekanntenkreis, auch bei all den vielen Personen des öffentlichen Lebens fand ich keinen.

Ich stellte fest, die Definition »Gutmensch« wurde zum Problem für mich.

Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen! Wahrlich, es war eine Offenbarung.
Gutmenschen mit schlechten Eigenschaften kannte ich zur Genüge. Da konnte ich aus dem Vollen schöpfen.

Die Definition »Gutmensch« an sich lässt keine Abstufung zu. Gutmensch ist Gutmensch, basta! Aber die schlechten Eigenschaften sind je nach Schwere und Häufigkeit einzuordnen..
So ein Gutmensch mit gelegentlich leichten Schmutzeleien ist anders zu bewerten, als ein Gutmensch mit krimineller Energie.

Und exakt dafür habe ich erst mal rein empirisch eine Skala von 01 bis 05 entwickelt.

Die reinste Stufe 01 kommt einer Idealvorstellung gleich, die wohl in unserer Zeit von Niemandem mehr erreicht wird.
Einzig und alleine meine Oma, Gott hab sie selig, hielt diesen Level. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ein paar wenige Exemplare mag es in der Stufe 2 geben.
Dann kommt das große Heer der 3er und 4er. Es wird wohl die Masse sein.
Allerdings beschleicht mich das Gefühl, dass die Tendenz zu 05 stark zunimmt. Schließlich kommt der Punkt, wo das Prädikat »Gutmensch« gestrichen werden muss.

Sie werden sich jetzt natürlich fragen, wohin solche Überlegungen führen. Erst mal zu meiner Kurzgeschichte, das war ja naheliegend. Aber es gibt noch eine andere Verwendung. Man denkt nach und merkt, die Spitzbübereien in der Welt sind allemal reichlich vertreten. Dem hat ein Gutmensch, wenn er denn ein reiner Gutmensch sein will, überhaupt nichts dagegen zu setzen. Über kurz oder lang wird er scheitern.

Anschläge 3139

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