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Sonntag, 26. Februar 2017

Die Bergrettung

»Oha, noch einer!«, sagte ich leicht aufgebracht zu mir selber und legte den Telefonhörer auf. Ich wunderte mich über meine ach so vielen Freunde, die sich urplötzlich alle bei mir meldeten. Von einigen hatte ich schon ein paar Jährchen nichts gehört.

Dieses Phänomen verortete ich natürlich sehr schnell. Die Münchner Olympiade stand an und ich wohnte gleich hinter dem alten Messegelände in der Ganghofer-Straße.
Alle luden sich zum Übernachten ein. Nie und nimmer konnte ich die in meiner winzigen Studentenbude beherbergen.
Also beschloss ich, während des ganzen Spektakels aus München zu fliehen. Mit zwei Gleichgesinnten plante ich eine längere Bergtour.

Bei bestem Sommerwetter starteten wir drei Tage vor der Eröffnung der XX. Olympischen Sommerspiele in Richtung Karwendel. Wir wollten das Gebirge, das wir mittlerweile recht gut kannten, von Westen nach Osten durchwandern und dabei einige Klettertouren unternehmen. Ganz besonders reizte uns die Laliderer Wand. Vielleicht konnten wir sie ja diesmal bezwingen.

Schnell ließen wir die Großstadt hinter uns. Unser erstes Ziel war Krün. Wir parkten meinen R4 bei einem Bauern und machten uns auf den Weg zur Vereiner-Alm. Dort wollten wir die erste Nacht verbringen und dann weiter gehen über den Wörnerkar rüber zum Dammkar bis zur Dammkarhütte.

Frohen Mutes begannen wir mit dem Aufstieg den Jägersteig entlang. In der Abendsonne erreichten wir die Vereiner-Alm mit der Krinner-Kofler Hütte. Den Schlüssel zu dieser Selbstversorgerhütte fanden wir auf Anhieb dank der genauen Beschreibung unseres Bauern, bei dem wir den R4 abstellten.



Wir hatten die Hütte für uns ganz alleine. Bei einem deftigen Hackbraten, das Hackfleisch besorgten wir uns noch im Tal beim Metzger, genossen wir das Alpenpanorama. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Hundemüde sanken wir schon bald in die Betten.

Beim ersten Morgenlicht wuschen wir uns am Brunnen vor der Hütte, frühstückten ausgiebig und packten unsere Rucksäcke. Die vor uns liegende Tour sollte sehr anstrengend werden.

Über ein endlos langes Geröllfeld stapften wir das Wörnerkar hoch. Die Sonne brannte mörderisch vom Himmel. Oben angekommen sahen wir schon von weitem unser nächstes Ziel, die Dammkarhütte. Nach einem kurzen Abstieg ging es wieder aufwärts durch ein riesiges Latschenkiefernfeld. Dort stand die Hitze wie in einem Glutofen. Kein Lüftchen regte sich.
Meter um Meter arbeiteten wir uns vor. Von einem Steig, geschweige denn ein Pfad war weit und breit nichts zu sehen. Wir kamen an unsere Grenzen.



Mit letzter Kraft erreichten wir die Hütte. Am ganzen Körper zitternd bestellte ich mir mitten im Hochsommer einen Glühwein. Nachdem der Wirt zweimal nachfragte, bekam ich ihn endlich.

Die Strapazen der Tour waren schnell vergessen. Zusammen mit ein paar Bergwachtlern, die etwas weiter oben eine eigene Diensthütte hatten, saßen wir auf der Terrasse und genossen die mächtigen Felsformationen unter einem phantastischen Sternenhimmel.

Es musste gegen 22 Uhr gewesen sein, als einer der Bergwachtler aufstand und hinter das Haus ging.
»Da ruft jemand!«
Nun hörten wir es auch. Das kam vom oberen Dammkar.
»Da sind noch welche oben im Kar!«

Die drei Männer schulterten ihre Rucksäcke.
»Wir schauen mal nach!«
Dann drehte sich einer zu uns um:
»Kommt Ihr mit?«
Das ließen wir uns nicht zweimal sagen.

Mit mehreren Taschenlampen ging es hinein ins obere Dammkar. Nach einer knappen halben Stunde sahen wir drei Mädels um die Sechzehn im Lichtkegel unserer Lampen, wie sie sich an den Fels kauerten. In knapper Sommerkleidung, mit Sandalen an den Füßen, wussten sie nicht mehr weiter.
»Ja was seid Ihr denn für Bachstelzen!«

Zu uns gewand sagte Korbinian: »Das passiert immer wieder. Mit der Karwendelbahn fahren sie nach oben und glauben über das Dammkar runterlaufen zu können.

Wir verknoteten ein paar Seile zu kurzen Trageriemen, die wir um die Hinterteile der Mädels schlangen. Dann nahmen jeweils zwei von uns eine der Schnepfen in die Mitte und bugsierten sie so langsam nach unten.

Unten angekommen kam kein Vorwurf weder von den Bergwachtlern noch vom Hüttenwirt. Wir verarzteten ihre Riß- und Schürfwunden. In Decken gehüllt saßen die Mädels noch eine Weile bei uns.

»Wie kommen wir jetzt nach Mittenwald?«, fragte die Schwarzhaarige.
»Gar nicht!«, kam die knappe Antwort vom Wirt.
»Ihr bleibt über Nacht auf der Hütte und morgen früh lasse ich einen Funk ins Tal, dann wird sich schon jemand kümmern.

Der Jemand war der Klassenlehrer der jungen Ladies, der sicherlich noch Blut und Wasser schwitzte.
Seit zwei Tagen logierten sie zusammen mit Ihrer Klasse in Krün in der Jugendherberge.

»Das wird immer schlimmer mit den Halbschuhtouristen. Die kommen ganz gemütlich per Seilbahn ohne jegliche Ausrüstung in hochalpines Gelände. Die haben keinen blassen Schimmer vom Hochgebirge und überschätzen sich total. Dann passiert das, obwohl das heute noch glimpflich abgegangen ist!«
Mit einem »Danke Kameraden!«, verabschiedeten sich die Bergwachtler von uns und stiegen hoch zu ihrer Diensthütte.

Der Hüttenwirt verfrachtete die Gören ins Matratzenlager, dann saßen wir noch eine Weile beisammen.

»Als Du heute den Glühwein bei mir bestellt hast, war ich wirklich der Meinung, Du hättest einen gehörig an der Waffel!«
Darauf tranken wir noch einen Enzian und verkrochen uns in selbiges Matratzenlager. Allerdings ins andere Ende, damit die Mädels ungestört blieben.

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