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Sonntag, 26. März 2017

Hessisches Hinterland



Irgendwann bildeten wir uns ein, mal rauszufahren in das hessische Hinterland westlich von Marburg. Wir fuhren aufs Geratewohl los und landeten in Bad Endbach. Warum es gerade Bad Endbach war, wussten wir schon damals nicht.

Dort prangte uns, wenn ich mich Recht erinnere, am Ortseingang ein Schild entgegen.
Nein, nicht das Ortschild, das wäre ja albern zu erwähnen. Nein, da stand »Zum Fuchsbau« drauf. Es war eine Kneipe, natürlich war es eine Kneipe!
Sie gefiel uns recht gut, erst mal nur von außen, wenig später auch von innen.

In den Nachmittagsstunden war mäßig viel Betrieb und wir fanden drei Plätze am sehr geräumigen und daher gemütlichen Tresen. Die Barhocker hatten sogar Lehnen.

An solche Einzelheiten erinnert man sich noch nach Jahrzehnten, ist das nicht komisch?
Ganz unwichtige Dinge, auf die es gar nicht ankommt. Wir wären sicher auch dortgeblieben, wenn die Barhocker keine Lehnen gehabt hätten.

Es gab auch ein paar Fremdenzimmer, alldieweil Bad Endbach, wie der Name schon sagt, ein Kurort war und auch noch ist.
Da braucht es Fremdenzimmer für all die Leidenden und Geschwächten. So ein Fremdenzimmer mit Kneipe drunter machte aus so manchem müden Kurenden einen glücklichen Kurenden.

Nun musste zwischen mir und Hoss, der ja mit richtigem Namen Jürgen hieß, geknobelt werden. Gisela war außen vor, sie hatte keinen Führerschein.
Richtig, es ging um die Rückfahrt, immerhin etwas mehr als 30 Kilometer und dann noch unbekannte Landstraße. Da kennst Du jede Promille.

Erst diskutierten wir darüber, ob wir es mit »Stein-Papier-Schere« ausbaldowern sollten, oder mit Streichholzziehen.

Letztendlich vertrauten wir die Entscheidung den Karten an. Wer das erste Ass zog, war raus!
Hoss zog es!
Was er sofort mit einem neuen Bierchen feierte und ich stieg auf Apfelschorle um. Gisela war sowieso eher die »Vernünftige«, was den Alkohol betraf.
Keiner von uns rauchte, was man seinerzeit in den Kneipen noch ungehindert tun durfte. Der mittlerweile allseits bekannte »Raucherpapst« war damals nicht mal geboren.

Langsam füllte sich das Lokal. In den frühen Abendstunden wurde es hackevoll. Die meisten Gäste waren Kurgäste, wobei das männliche Geschlecht überwog.

An einem winzigen Tischen nahe am Tresen saßen zwei Mädels und tranken »Sonnenschein«. Das war ein Gesöff aus Libella mit Eierlikör drinnen. Wir prosteten ihnen zu und kamen so ins Gespräch.
Sie würden in der Zigarrenfabrik im Nachbardorf arbeiten.
»Als Zigarren-Dreherinnen?«, wolle ich von Ihnen wissen.
»Ja, als Zigarren-Dreherinnen!«, bestätigten sie unisono.

Es waren nette Mädels und ich verglich sie sogleich mit zigarrendrehenden feurigen Kubanerinnen. Da klappte nicht so hundertprozentig, die Mädels waren blond.

In der »hessischen Walachei« gab es eine Zigarrenfabrik und sogar eine renommierte, wie uns der Wirt bestätigte. Man lernt nie aus!

Es war überhaupt so, dass es damals in und um Marburg kaum dunkelhaarige Mädels gab. Von Pechschwarz will ich gar nicht erst reden. Nein allesamt waren sie hellblond oder dunkelblond, hellbraun und wenns hochkam mal brünett.
Schwarzhaarige Schönheiten gab es äußerst selten.

Heute sieht man häufiger dunkelhaarige Amazonen. Ich traue mich wetten, die meisten sind gefärbt. Das mit dem Haarefärben war damals um 1968/69 noch nicht in Mode, zumindest bei den Mädels nicht.

Gisela war dunkelhaarig. Ich will nicht sagen pechschwarz, aber deutlich dunkler als all die anderen Mädels. Aber Gisela war tabu, sie war unser bester Kumpel.

Ihre weiblichen Reize, die sicherlich vorhanden waren, nahmen wir zur Kenntnis, aber mehr auch nicht.

In der Wirtsstube war der Bär am Toben. All die Kreuzlahmen und Gelenksteifen liefen zur Hochform auf und ich armer Tropf saß vor meiner Apfelschorle.

Irgendwann im Laufe des Abends musste der Wirt Mitleid mit mir bekommen haben. Dass wir Studenten aus Marburg waren, wusste er sowieso schon.

Dann kam sein brillanter Vorschlag.
Er hätte da noch ein Dreibettzimmer frei, sogar mit eigener Toilette und Bad, das könnte er uns für einen Freundschaftspreis für eine Nacht überlassen.

Hoss und ich schauten Gisela an. Wir hatten nichts dabei!
Als wir sie immer eindringlicher anschauten, lachte sie und gab ihr ok.
Sofort bestellte ich mir ein Bier!

Der Wirt meinte, mit 10 DM sei er einverstanden. Wir waren es auch und Gisela bekam sogar ein Nachthemd von der Wirtin.

Ich muss es mal wieder zwischendurch erwähnen, es waren ausgelassene Zeiten, damals in Marburg und natürlich auch in Bad Endbach.

Jedenfalls bezogen wir kurz vor Mitternacht mit reichlich Bettschwere unser Zimmer. Gisela durfte als Erste ins Bad. Wir kringelten uns vor Lachen, als sie mit dem überdimensionierten Nachthemd herauskam.
Hoss und ich schliefen im Doppelbett und Gisela nahm mit dem Einzelbett vorlieb.

Das kurortspezifische Reizklima, es mögen auch die vielen Bierchen gewesen sein, versetzten uns in Bälde in Tiefschlaf.
Ich träumte von zigarrendrehenden Kubanerinnen mit blonden Haaren in geblümten Nachthemden.

Gisela beschwerte sich am nächsten Morgen, wegen unseres Schnarchens sei sie ein paarmal aufgewacht.

Sie hatte halt deutlich weniger Alkohol und das Reizklima alleine sorgte bei ihr nicht für den Tiefschlaf.

Mit einem winzigen bisschen Kopfweh wachte ich auf.
Es war nicht der Rede wert, nur der Vollständigkeit halber erwähne ich es.

Dann durfte das geblümte Nachthemd mit Inhalt wieder als erstes ins Bad. Wenig später stand unsere Gisela so vor uns, wie wir sie kannten!

Mit ein paar Kurgästen zusammen frühstückten wir in einem Nebenzimmer der Wirtsstube.

Ein herrlicher Tag blinzelte durchs Fenster.

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